Rigaerstrasse 80 - eine Chronik

1990 wurden in Ostberlin über 120 Häuser, unter anderem die Riga 80 besetzt. Das Mietshaus war bis auf das Vorderhaus von der KWV (KomunaleWohnungsVerwaltung) entmietet worden, um in den folgenden Jahren eine komplexe Reko (so nannte sich im Osten eine Sanierung) durchzuführen. Dem standen jedoch die Invasion der Marktwirtschaft und die bürgerlichen Eigentumsverhältnisse entgegen. Als Haus unter staatlicher Verwaltung wurden für die Riga 80 keine Mittel mehr aufgebracht.

Im April 1991 steht ....... auf einer Mitgliederliste der inzwischen verbotenen Neonazi Partei Deutsche Alternative (Sektion DDR, Mitglied Nummer 321).

In den folgenden Jahren versuchten die Bewohner unermüdlich mit der KWV zum Abschluß von Mietverträgen zu kommen. Die KWV/WBF weigerte sich jedoch beharrlich, auch parlamentarische Initiativen und eindeutige Direktiven des Senates änderten nichts.
Zum 1.1.1993 wurde die staatliche Verwaltung per Gesetz in der gesamten DDR aufgehoben. Die Erben der ehemaligen Eigentümer mussten die Hausverwaltung wieder übernehmen.
Im Dezember 1992 erhielten wir zum ersten Mal Besuch eines Spekulanten. Harm Müller-Spreer aus Hamburg saß bei uns in der Gemeinschaftsküche und war sehr freundlich. Wenn wir bis April das Haus verlassen, würde er uns noch etwas Geld geben, so 2000Mark, West. Ansonsten wäre uns ja wohl klar, daß er auch nächste Woche mit einer Hundertschaft (Polizei) vor der Tür stehen könnte.
Er kam zwar noch mal wieder, ohne Hundertschaft und ward danach nicht mehr gesehen.
Im September 93 fiel dem Senat die Olympiaentscheidung auf die Füße und unser Haus stand in den Imobilienanzeigen.

Dezember 1993 lernten wir den nächsten Spekulanten, Sven Rosemann kennen. S.Rosemann schloß einen Kaufvertrag über die Riga 80 ab. Er machte nur eine Anzahlung, bezahlt wird wenn das Haus leer ist.

Im Mai 1994 feierten die Hausbewohner mit Freunden aus dem Samariterkiez eine Party in der Riga 80. Um 5.30Uhr wurden Fenster im 1.OG mit Leuchtraketen beschossen, Vermummte stürmten mit Knüppeln bewaffnet und unter Einsatz von Tränengas in das Haus. Die Dachluke wurde aufgebrochen, Türen aufgetreten, Bewohner gefesselt und mißhandelt.
20 übermüdete Hausbewohner schlugen die 30 Wachschützer der Fa. CM (siehe Kudamm) in die Flucht, 1 schwerverletzter Bewohner und 1 gefangener Wachschützer.
Der Gefangene wurde später wegen schwerer Körperverletzung verurteilt. S.Rosemann erhielt wegen Anstiftung (zur Nötigung !!!) 18.000Mark Geldstrafe (AG Tiergarten 271DS752/95).

Im März 95 begannen sich die Vorfälle zu häufen. Der Hof der Riga 80 wurde mit Teer verseucht, die Scheiben unseres Cafés wurden von dem damaligen Mieter Josef Porkolab eingeschlagen, der uns auch mehrfach bei Bullen und Bezirksamt denunzierte.
Wieder während einer Party entdeckte eine Bewohnerin einen Brand auf dem Dachboden. Mit Hilfe unserer zahlreichen Feuerlöscher und revolutionärer Disziplin gelang es uns das Feuer zu bekämpfen, die Feuerwehr kam dann zum Nachgucken.
6 Wochen später entdeckten Bewohner und Polizei ein Kilo Sprengstoff, 3 Elektrozünder und eine Zündschnur versteckt im Dachgebälk der Riga 80. Ermittelt wurde gegen Josef Porkolab.

Da Rosemann den Kaufpreis bis Oktober 95 nicht bezahlt hatte, begannen die Alteigentümer mit den Bewohnern über den Kauf des Hauses zu verhandeln. Bevor ein Kauf zustande kam bezahlte Rosemann.

April 97: S.Rosemann kappt den Bewohnern die Wasserversorgung. Diese erwirken beim AG Schöneberg eine einstweilige Verfügung, die Rosemann verpflichtet, das Wasser wieder anzustellen. Die Verfügung hat uns nicht viel geholfen, denn:
Am 29.7.1997 erfolgt die illegale Räumung der Riga 80 durch Rosemann mit tatkräftiger Unterstützung der Grünen.

Obwohl die Bewohner seit Jahren, wie ihre Nachbarn auch, Zustellungen von Stadt und Land, Arbeitsamt und Gerichten erhalten, konnte der von Rosemann beauftragte und bezahlte Gerichtsvollzieher Andre Kirchner den Bewohnern den Einzeiler: "Verlassen sie unverzüglich das Haus Rigaerstrasse 80" nicht zustellen.
Die örtliche Polizei lehnt diese Konstruktion und das Räumungersuchen ab. Daraufhin wird von Müller aus der Abt III B 12 des Innensenats die Räumung von oben herab angeordnet.
Begründung: Eine Zustellung von Klageschriften und anderen Schriftstücken ist nicht möglich und somit ist die Voraussetzung für eine polizeiliche Räumung zum Schutz privater Rechte gegeben.

Während die Polizei die Bewohner aus ihren Räumen vertreibt, dringt Rosemann mit 15 stämmigen Deutschen in die Räume der Bewohner ein und fängt an die Einrichtung aus den Fenster zu werfen. Seine Helfer frohlocken nun endlich das Zeckenhaus geräumt zu haben, plündern und grüßen die letzen Bewohner mit Sieg Heil - Rufen.

Trotz einer einstweiligen Verfügung die zwei Bewohner noch am Tag der Räumung erwirken, können sie nach Einspruch von Rosemann bis zur mündlichen Verhandlung nicht zurück in ihr Haus.
Vor Gericht legen die Bewohner zahlreiche Zustellungsnachweise vor. Dies wird vom Richter Schmelz ignoriert und Rosemann gewinnt mit den nicht vorgelegten Schreiben seines Gerichtsvollziehers Kirchner das Verfahren.


P.S. Sven Rosemanns Addrese steht im Berliner Telefonbuch.