Verwaltungsgericht
Berlin gewährt Hausbesetzern Grundrechtsschutz
auf
Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 GG
In einer Entscheidung vom 16.07.2003 hat das
Verwaltungsgericht Berlin die polizeiliche Räumung vom 29.07.1997 des
Hausgrundstückes Rigaer Straße 80 in Berlin-Friedrichshain für rechtswidrig
erklärt. Nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichtes konnten sich die
Hausbesetzer auf das Grundrecht des Artikel 13 GG auf
Unverletzlichkeit der Wohnung berufen.
Das Altbaumietshaus Rigaer Straße 80 wurde
seit 1990 von einer größeren Anzahl überwiegend junger Leute ohne Mietverträge
und Einwilligung der Eigentümer bewohnt. Nach einem Eigentümerwechsel konnten
sich die Erwerber mit den Bewohnern nicht auf eine gemeinsame Sanierung
einigen. Die Erwerber beantragten daher am 19.08.1996 die polizeiliche Räumung
des Hausgrundstückes. Nennenswerte eigene zivilrechtliche Schritte zur Räumung
ihres Eigentumes unternahmen die Erwerber nicht.
Am 29.07.1997 erfolgte daraufhin die
polizeiliche Räumung des Hausanwesens durch Sondereinsatzkräfte unter
Beobachtung zahlreicher Medienvertreter. Sämtliche Hausbewohner wurden nach teilweise
mehrjährigem Aufenthalt aufgefordert, unverzüglich ihre Wohnungen unter
Zurücklassung eines großen Teils ihrer persönliche Habe zu verlassen. Die
Wohnungen wurde mit samt der Habe noch am Räumungstage an die Eigentümer
übergeben. Die zurückgelassene Habe haben die Bewohner nicht mehr erhalten.
Mit seiner Entscheidung vom 16.06.2003 hat
das Verwaltungsgericht Berlin dem Antrag eines ehemaligen Bewohners
stattgegeben und festgestellt, dass die Räumung seiner Wohnung rechtswidrig
war.
Dabei hat das Verwaltungsgericht dargelegt,
dass auch derjenige sich auf das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung
berufen kann, der von ihm genutzte Räume unbefugt und
ohne Zustimmung der Eigentümer nutzt. Schutzgut des Artikel
13 GG ist alleine die Privatheit einer Wohnung, d. h. die räumliche
Spähre, in der sich das Privatleben entfaltet. Eine solche Privatheit kann sich
auch in einer besetzten Wohnung entfalten.
Nach Artikel 13 Abs. 2 GG darf die
Durchsuchung einer Wohnung außer bei Gefahr im Verzug nur durch den Richter
angeordnet werden. Dabei hat das Verwaltungsgericht Berlin die Räumung des
Mietshauses als Durchsuchung der einzelnen Wohnungen angesehen. Ziel der
Polizeiaktion war es, alle im Haus Rigaer Straße 80 sich aufhaltenden Personen
aus dem Gebäude zu entfernen. Da es für die Polizeikräfte ungewiss war, welche
Personen sich am Räumungstag auf dem Hausgrundstück aufhielten, war die
Durchsuchung aller Räume nach dort befindlichen Personen unvermeidlich.
Der polizeilichen Räumung lag jedoch keine
nach Artikel 13 Abs. 2 GG erforderliche richterliche Anordnung zugrunde.
Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht
auch die polizeiliche Zuständigkeit zur Räumung verneint. Der Polizeipräsident
in Berlin hätte die Hauseigentümer auf den Zivilrechtsweg verweisen müssen. Als
zivilrechtliche Anstrengung hätte von Seiten der Eigentümer zumindest eine an
die Bewohner gerichtete vorprozessuale Aufforderung ergehen müssen, die
widerrechtlich genutzten Räumung innerhalb einer
gesetzten Frist zu unterlassen. Nach den Feststellungen des
Verwaltungsgerichtes war vor der Räumung noch nicht einmal eine solche
Aufforderung ergangen.
Rechtsanwalt Gerhard Fuchs